Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommen die beiden Redakteurinnen von WirtschaftsWoche Online Jacqueline Goebel und Anke Henrich. Sie haben sich eingehender mit dem Thema befasst, was die gesetzliche Krankenversicherung, die GKV mit ihren rund zehn Dutzend Krankenkassen den Mitgliedern alles verspricht, und was anschließend aus den Versprechungen wird. Das Ergebnis ist erschütternd bis hin zu unlauter.
AOK Bayern, Techniker Krankenkasse & Co.
So musste vor kurzem die AOK Bayern wegen irreführender Werbung eine kostenpflichtige Unterlassungserklärung unterschreiben. Das tut niemand, der Recht hat und sicher ist, vor Gericht Recht zu bekommen.
Dr. Hans Unterhuber, Vorstandsvorsitzender der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse mit Sitz in München, beklagt die bewusst irreführenden Versprechungen vieler GKVs. Im bundesweiten Ranking einer Onlinebewertung der Versicherer durch ihre Mitglieder belegt die SBK nach der Techniker Krankenkasse den zweiten Platz. Dr. Jens Baas, Vorstandssitzender der TK, rügt vielfache Praktiken von Kassenärzten. Sie würden ihre Patienten kränker schreiben als sie sind. Die Folge davon sind höhere Behandlungskosten durch die GKV, die ihrerseits aufgrund dessen wiederum höhere Bundeszuschüsse aus dem Risikostrukturausgleich erhält. Daraus werden Kassenleistungen für überdurchschnittlich kranke Versicherte besonders gefördert und refinanziert. In einer Studie hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, PricewaterhouseCoopers aus Frankfurt am Main herausgearbeitet, dass nur drei Prozent aller GKV-Versicherten wechselfreudig sind, also ihre gesetzliche Krankenkasse wechseln möchten. Die Versicherer haben ausgesprochen große Probleme bei der Neukundengewinnung mit der damit verbundenen Beitragssteigerung. Alle Krankenkassen müssen sich jedoch überwiegend aus ihren Mitgliedsbeiträgen finanzieren.
Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Wettbewerbszentrale mit Hauptsitz in Bad Homburg vor der Höhe, beklagt zunehmende „Tricks“ bis hin zu Irreführungen der GKVs. So mancher Bonus im mittleren dreistelligen Bereich sei nur theoretisch erreichbar. Viel Kleingedrucktes, Konjunktiv- sowie Kannbestimmungen wirken unlauter bis hin zu verfälschend. So könne in mehreren Krankenkassen die 100%-Punktzahl nur von Schwangeren erreicht werden. Und in der DAK muss der Versicherte 18 Jahre lang alles haarklein und lückenlos abgelebt haben, um in den Genuss des ausgelobten Bonus‘ zu kommen.
Regina Behrendt von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf hat die Bonusangebote von zweieinhalb Dutzend GKVs näher untersucht. Ihr Fazit: Nur ganz wenig Versicherte können die Höchstpunktzahl erreichen. Das Ziel einer gesünderen Lebensweise werde selten erreicht, und im Übrigen seien viele Bonusprogramme intransparent, kaum verständlich und in sich widersprüchlich.
600 Euro, oder 1.626 Euro Bonus zwischen Geburt und 18. Lebensjahr klingt toll und verlockend. Doch die Realität sieht deutlich anders aus. Darin sind sich nicht nur Goebel und Henrich, sondern alle Angesprochenen unisono einig.
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